Tourdatum: 06.09.2001 - 12.09.2001
Kategorie: Mehrtagestour
Ort/Region: Karnische Alpen / Osttirol
Teilnehmer: Christian, Michael, Nils und Jan
Beschreibung: Die Tour über den Hauptkamm der Karnischen Alpen auf der Grenze zwischen Italien und Österreich war meine erste Tour von Hütte zu Hütte. Abseits von Seilbahn-Tourismus, teilweise mit Blick auf das tolle Panorama der Dolomiten eine traumhafte und empfehlenswerte Tour, deren Ende mit den Ereignissen des 11. September 2001 leider einen ungeplanten Verlauf vernahm.
Bemerkung:  

06.09.2001 Niedernberg - Zillertal

Ich möchte es nicht versäumen diese Tour hier zu erwähnen, da es sich um meine erste wirkliche Hüttentour handelte, nachdem ich die Jahre zuvor lediglich Tagestouren in den Alpen unternommen hatte. In unserer ursprünglichen Planung hatten wir uns den Berliner Höhenweg für diese Unternehmung ausgesucht und so reisten wir an diesem Tag hoch motiviert im Zillertal an, wo unsere Vorfreude jedoch schnell gebremst wurde. Seit Tagen regnete es hier und der in der Höhenlage gefallene Schnee machte den Weg nahezu unbegehbar. Die Wettervorhersage für die nächsten Tage verhieß wenig Gutes und so saßen wir dann doch gleich am ersten Abend recht niedergeschlagen in unserer Pension, in der wir die Nacht verbrachten.

 

07.09.2001 Zillertal - Sillian(Osttirol) - Sillianer Hütte(2447m) (Dauer: 9 Stunden)

Glücklicherweise gab es Vroni, unsere Wirtin. Zwar war das Wetter am nächsten Morgen keineswegs besser, aber es gab Ideen. Im Wetterbericht war zu hören, dass die Wetterlage im Süden Österreichs deutlich besser sei und so bot uns Vroni ihre Unterstützung an, im Internet nach einem alternativen Tourenvorschlag zu suchen. Recht schnell stand das Ergebnis fest: Karnischer Höhenweg. Schnell packten wir und machten uns auf den knapp 2 stündigen Weg nach Sillian. Es war absolut trocken und es schien sogar ein wenig die Sonne, sodass die Freude in unsere Gesichter zurückkehrte. Wir parkten unsere Fahrzeuge in der Nähe des örtlichen Hallenbades und machten uns nach kurzer Vorbereitungszeit dann an den Aufstieg. Für den Aufstieg vom Ort aus sind ~1400 Höhenmeter zu überwinden, was uns auf unserer "Eingehtour" gleich enorm forderte. Nach ca. 4h erreichten wir gegen 17:00 Uhr unser erstes Nachtquartier. Die nette Atmosphäre auf der Hütte und die musikalisch untermalte Abendstimmung sorgte dafür, dass wir den Alltag völlig hinter uns ließen und auch keinen Gedanken mehr an das schlechte Wetter im Zillertal verschwendeten. Unvergessen bleiben auch die Versuche von Nils an diesem Abend, sein Weißbierglas zu füllen, die er erst nach 3 Fehlversuchen und ermahnenden Blicken der Wirtin aufgab.

 

08.09.2001 Sillianer Hütte(2447m) - Obstansersee Hütte(2304m) (Dauer: 5 Stunden)

Zu unserem Aufbruch am nächsten Morgen wurden wir mit einer herrlichen Aussicht auf die Dolomiten begrüßt, die in strahlendem Sonnenschein vor uns lagen. Die Luft war noch sehr kalt, aber unsere Motivation hoch und ausserdem läuft man sich bekanntlich ja auch schnell warm. Unsere Etappe sollte uns heute zur Obstansersee Hütte führen. Ein Großteil des Höhenweges verläuft auf dem Kamm der Karnischen Alpen, auf welchem auch die Grenze zwischen Italien und Österreich befindet. Während der Tour wechselt die Wegführung immer wieder zwischen der italienischen und österreichischen Seite ab, und manchmal kann die nächste Hütte sowohl auf der einen als auch auf anderen Seite gewählt werden. Die normale Gehzeit zur Obstansersee Hütte beträgt ca. 5h, also genau der richtige Einstieg in eine mehrtägige Bergtour. Wir erreichten unsere Quartier gegen 14:00 Uhr, wo wir nach dem Ablegen der Rucksäcke noch ein wenig die Gegend erkundeten. Leider war die Hütte schon ziemlich belegt, so dass wir in einem völlig überfüllten Raum nur noch ein Notlager auf dem Fußboden erhielten. Zudem begann es am späten Abend auch noch extrem zu schneien und wir befürchteten das Schlimmste, was unsere weitere Tour anging. Es war klar für uns, dass ein weiteres Begehen des Kammes bei Schnee nicht möglich war und wir waren etwas frustriert, dass uns das schlechte Wetter doch noch so schnell eingeholt hatte.

 

09.09.2001 Obstansersee Hütte(2304m) - Filmoor Standschützenhütte(2360m) - Porze Hütte(1942m) (Dauer: 7 Stunden)

Der nächste Morgen überraschte uns doch sehr: Es war noch ein wenig bedeckt, doch es lag weitaus weniger Schnee, als wir am Vorabend vermutet hatten und die ersten Sonnenstrahlen kamen schon hinter den Wolken hervor. Obwohl wir so gut wie keinen Schlaf gefunden hatten, stand schnell für uns fest, nicht den erwarteten Abstieg ins Tal anzutreten, sondern den Weg in Richtung Porze Hütte(1942m) fortzusetzen. Gleich zu Beginn erwartete uns der steile Aufstieg zur Pfannspitze, der unsere volle Aufmerksamkeit erforderte. Durch den starken Wind wurde Michael einmal nahezu "vom Weg geblasen", er konnte sich aber gerade noch rechtzeitig auf einen Felsvorsprung retten. Oben angekommen folgten wir dann wieder weiter dem Kammverlauf in Richtung des Kleinen und Großen Kinnigat. Gegen Mittag erreichten wir die kleine Filmoor Standschützen Hütte, bei der wir uns zu einer kurzen Mahlzeit nieder ließen. Von dort aus geht es dann weiter im Abstieg zu den Stucke-Seen, weiter über das Roßkar bis man an einem markanten Hochspannungsmast zur Porze Hütte (1924m) hinabsteigt - eine moderne Hütte, auf der wir uns den Luxus einer Dusche gönnten. An diesem Abend war Erholung angesagt, da die kommende Etappe die Längste der Tour werden sollte. Es war auch ausreichend Platz vorhanden, so dass wir nach der Nacht im Notlager eine relativ entspannte Nacht verbrachten.

 

10.09.2001 Porze Hütte(1942m) - Rifugio Calvi(2164m) (Dauer: 9 Stunden)

Mit strahlendem Sonnenschein verließen wir die Porze Hütte und stiegen hinauf zum Tilliacher Joch. Deutliche Zeichen des ersten Weltkrieges, als am Karnischen Hauptkamm um die Landesgrenze zwischen Italien und Österreich gekämpft wurde, waren zu Beginn dieser Etappe in Form von Gebäuderuinen und ehem. Stellungen erkennbar, wie immer wieder im Verlauf der Tour. Unser Ziel heute Rifugio Calvi auf der italienischen Seite unterhalb des Monte Peralba gelegen. Die veranschlagte Gehzeit betrug 9h, weshalb wir bereits zeitig aufbrachen. Alternativ kann man auf dieser Etappe auch auf der österreichischen Seite zum Hochweißsteinhaus(1868m) gehen, die Gehzeit ist jedoch nahezu gleich. Wir entschieden uns für die italienische Hütte, da unsere Tourenbeschreibung die Hütte als sehr "traditionell" empfahl, auf der sich auch Papst Johannes Paul II 1989 beim Besuch des Monte Peralba ins Gästebuch eingetragen hatte. Außerdem warb unser Buch damit, dass der Hüttenwirt diverse und besondere Grappa Sorten im Ausschank habe, also benannten wir sie einfach in Grappa Hütte um und sofort erschien uns das Ziel ein Stück näher. Nils klagte im Laufe der Tagesetappe über starke Knieschmerzen. Als wir am späten Nachmittag den letzten Aufstieg zur Hütte erreicht hatten, waren die Schmerzen so stark, dass eine Fortsetzung der Tour unmöglich schien. Die begeisternden Geschichten des alten Hüttenwirtes am Abend ließen uns jedoch noch einmal einen wunderbaren Abend verbringen, bei dem man die Strapazen ein wenig vergessen konnte - und das lag nicht am Grappa :-))

 

11.09.2001 Rifugio Calvi(2164m) - Wolayerseehütte(1960m) (Dauer: 7 Stunden)

Wir versuchten es noch einmal, doch nach einer knappen Stunde beschlossen wir, dass ein Weitergehen von Nils unmöglich war. Wir fassten gemeinsam den Entschluss, dass Michael und Nils sich an den Abstieg ins Tal begeben sollten mit dem Ziel, irgendwie zurück zu unseren Fahrzeugen zu gelangen und uns am nächsten Tag an einem noch zu vereinbarenden Treffpunkt aufzulesen, während Jan und ich die Tour noch um eine Etappe zur Wolayerseehütte fortsetzten. Mittels Handy wollten wir uns Abends von der Hütte aus noch einmal kurz schließen und einen Treffpunkt für den nächsten Tag vereinbaren (ich verweise an dieser Stelle schon einmal auf das Datum dieser Etappe !). Wir erreichten die Hütte am späten Nachmittag nach ca. 8 Stunden Gehzeit, wobei wir uns einer Stelle verlaufen hatten und etwa eine halbe Stunde mehr benötigten. Die Lage der Hütte ist sehr idyllisch, der Wolayersee neben der Hütte ist fast komplett von hohen Felswänden umgeben. Genau aus diesem Grund hatten jedoch weder Jan noch ich im Umkreis der Hütte Handyempfang und wir konnten keinen Kontakt mehr zu Nils und Michael aufnehmen, um in Erfahrung zu bringen, ob mit dem Abstieg alles glatt gegangen war und welchen Treffpunkt wir für den kommenden Tag anvisieren sollten. Genauso wenig erfuhren wir (übrigens wie die anderen Gäste der Hütte) aber auch vom restlichen Weltgeschehen, dass sich an diesem Tag ereignete, sie erinnern sich an meinen Hinweis auf das Datum ? Der 11. September 2001 war der Tag der Anschläge auf das World Trade Center in New York und wenn ich heute auf diesen Tag zurückblicke, erscheint es mir immer noch unwirklich. Der Abend auf der Wolayerseehütte endete mit einem schönen Hüttenabend, der vom Wirt musikalisch untermalt wurde, während der Rest der Welt den Atem anhielt. Wir bekamen einfach nichts mit und dass wir diesen Abend in einer Hütte verbrachten, die telefonisch nicht zu erreichen war gibt mir die Bestätigung dafür, dass in den Bergen die Welt manchmal still zu stehen scheint.

 

12.09.2001 Wolayerseehütte(1960m) - Niedernberg (Dauer: 10 Stunden)

Wir machten uns am nächsten Morgen natürlich sofort an den Abstieg, um schnellstmöglich Kontakt zu Michael und Nils aufzunehmen. Über die Mobilbox unserer Handy wurden wir bereits umgehend informiert und vereinbarten im für uns nächstmöglichen Talort einen Treffpunkt. Auf Grund der Geschehnisse beschlossen wir dann auch sofort den Heimweg anzutreten, obwohl wir eigentlich noch einen Erholungstag eingeplant hatten. Auch wenn das Ende der Tour mit den Ereignissen in New York und den Schmerzen von Nils nicht das Allerbeste war, so denke ich immer wieder gerne an diese Tage zurück. Die Karnischen Alpen sind auf jeden Fall eine Empfehlung wert: Abseits von Seilbahnen und sonstigem Tourismus bietet sich ein tolles landschaftliches Panorama mit langen und anspruchsvollen Tagesetappen, auf denen man teilweise in absoluter Abgeschiedenheit und Ruhe wirklich noch die Berge "genießen" kann.

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